Letzten Sonntag in Wiesbaden haben die Delegierten des Bundesparteitags das erste Mal in der 155jährigen Geschichte unserer Partei eine Frau an die Spitze gewählt. Dass dies so passieren würde, stand ja im Grunde schon vorher fest, die Frage die blieb war nur: welche Frau?
Mit Andrea Nahles und Simone Lange hatten sich gleich zwei Frauen um dieses Amt beworben. Wir hatten euch im Vorfeld gefragt, für wen ich als Delegierte meine Stimme abgeben solle. Das Ergebnis hat mich zugegebenermaßen überrascht. Ihr wart viel entschiedener als ich. 90% von euch haben FÜR die eine oder die andere gestimmt. Ohne euer Votum hätte ich vermutlich meinen Stimmzettel ungültig gemacht, da mich keine von beiden wirklich überzeugt hat.
Und dieser Eindruck wurde auf dem Parteitag nochmal bestätigt. Beide haben sich im Vorfeld bei unserer Delegation vorgestellt. Hierbei kamen sie noch ganz gut rüber. Bei der eigentlich Vorstellungsrede auf dem Parteitag dann eher weniger. Simone Lange, die ja in den letzten Wochen sehr medienwirksam eine längere Redezeit gefordert hatte, da die vorgeschlagenen 10 Minuten für eine unbekannte Kandidatin ein Nachteil seien, schaffte es nicht mal 10 Minuten mit Inhalt zu füllen. Statt der zugestandenen halben Stunde verließ sie nach ca. 17 Minuten das Podium, weil sie nichts mehr zu sagen hatte. Schon vorher war sie eher durch Plattitüden und Wiederholungen aufgefallen. Die Chance, die ihr viele eingeräumt hatten, hat sie leider gar nicht genutzt.
Andrea Nahles dagegen ist Profi. Sie kann hervorragend reden, wenn es mir auch immer zu laut ist. Das rhetorische Stilmittel „wer schreit hat Recht“ finde ich schon bei Männern unerträglich, bei Frauen ist es definitiv nicht besser. Und es ist ja gut und schön, wenn man den Finger in die Wunde legt und benennt, was alles verändert und verbessert werden muss, aber nach Jahrzehnten im Geschäft würde ich mir wünschen, dass mehr konkrete Pläne kommen, wie dies gelingen soll. Die Menschen erwarten zu Recht, dass Politiker nicht nur wissen, was falsch läuft, sondern dass sie dies ändern.
Da eine Mehrheit von euch mir den Auftrag mitgegeben hatte, Simone zu wählen, hab ich dies getan. Dass sie trotz der sehr schwachen Performance 30% der Stimmen bekommen hat, hat sicherlich eher was mit Andrea zu tun als mit ihr.
Dennoch: Andrea hat die Wahl gewonnen. Mit 66% auch deutlich gewonnen. Herr Salomon hätte sich in Freiburg über so ein Ergebnis sicherlich höchst erfreut gezeigt. Bei mehreren Kandidaten ist ein Ergebnis über 50% ein Sieg und keine Niederlage, auch wenn die Presse es gerne so darstellt. Und ein weiteres 100% Ergebnis wäre sicherlich auch niemandem Recht gewesen.
Ich drücke Andrea Nahles die Daumen, dass ihr der schwierige Spagat gelingt, gute Parlamentsarbeit zu machen und gleichzeitig die SPD wieder auf eine bessere Spur zu bringen. Die Kraft dazu hat sie. Unsere Unterstützung bekommt sie. Packen wir es gemeinsam an. Mit oder ohne Bätschi.
Birte Könnecke