Unter der Tricolore

Veröffentlicht am 05.11.2021 in Kreisverband

Unter der Tricolore. So heißt die Ausstellung die derzeit im Markgräfler Museum in Müllheim die Nachkriegsjahre beleuchtet. Harte Jahre, die in der Darstellung oft genug hinter den vermeintlich so wunderbaren Wirtschaftswunderjahren verschwinden. Wir haben uns vom Kreisvorstand die Ausstellung angesehen und sind für die kompetente Führung durch den Müllheimer Stadtarchivar Steffen Dirschka sehr dankbar.

Müllheim ist im Krieg eigentlich sehr gut davon gekommen. Anders als das benachbarte Neuenburg wurde es nicht dem Erdboden gleich gemacht und nur wenige Gebäude nahmen tatsächlich Schaden. Dennoch war die Not groß. Besonders in den ehemaligen Kasernen, in denen rund 2.000 sogenannte „displaced persons“ unter unsäglichen Bedingungen eingepfercht waren. Oft waren das Zwangsarbeiterfamilien, die nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten. Die Kindergräber auf dem Müllheimer Friedhof zeugen von vermutlich untragbaren Zuständen in den Unterbringungen.

Viele Müllheimer verloren auch ihre Wohnungen und Häuser an die Besatzer. Gut 4.000 französische Soldaten wohnten zeitweise im Ort. Gut dokumentiert ist dabei das Schicksal eines Lehrers, der sein Haus überlassen musste und sich deshalb eine Baracke im Garten gebaut hatte. Aus dieser Baracke ist er nie mehr ausgezogen, er hat den Schwarzbau selbst gegen das deutsche Baurecht erfolgreich verteidigt. Später dann erforderte die zunehmende Anzahl Heimatvertriebener weitere Anstrengungen in der Unterbringungsfrage. Nach heutigen Standards sind die Wohnverhältnisse nicht mehr vorstellbar und dokumentieren die Leidenszeit für die Bevölkerung.

Ein Hauptanliegen der Besatzer war natürlich die Entnazifizierung und die Einführung der demokratischen Grundordnung auch auf kommunaler Ebene. Das Denunziantentum war leider  weit verbreitet und nicht wenige stramme Nazis blieben ungeschoren, während unschuldige Bürger in den Bau einrücken mussten. Ein klagender Brief des Bürgermeisters von damals ist da sehr deutlich.

In Sachen Demokratie hat sich letztlich als Tageszeitung die neugegründete Badische Zeitung durchgesetzt und ältere Organe verdrängt. Auch die ersten Wahlen waren den Bewohnern zumindest in Teilen noch sehr suspekt, was man an stark schwankenden und oft auch sehr niedrigen Wahlbeteiligungen erkennen konnte.

Die wirtschaftliche Not machte mitunter erfinderisch und es wurde alles genutzt und pragmatisch umgenutzt, was man nur finden konnte. Ein recht eindrückliches Ausstellungsstück ist ein Gülleschöpfer, der aus einem Stahlhelm gefertigt wurde … die weniger verklärte Version von „Schwerter zu Pflugscharen“.

Weiteres Thema waren schließlich die Lebensmittelmarken, mit denen die Bevölkerung versorgt wurde. Deren Aufschriften, wie Fett, Zucker oder Salz, standen schon in einem gewissen Missverhältnis zu den alten Werbeschildern im ausgestellten Kaufladen. Dort wurde für Kathreiner Malzkaffee und Sanella geworben. Oft Marken, die es heute noch gibt. Hand aufs Herz: Wer weiß, dass Milka damals nicht für Schokolade stand, sondern für Käse-Snacks?

Vieles weitere wäre noch zu sehen gewesen, doch es fehlte etwas die Zeit. Die Währungsreform brachte schließlich zwar eine stabile Währung, dennoch verloren viele Menschen große Teile ihres ohnehin übersichtlichen Vermögens. Auch die Entwicklung des Gemeindelebens mit Festen und Vereinen konnten wir nur noch kurz betrachten, aber so manches davon hat sich doch bis heute erhalten.

Eine sehenswerte Ausstellung zu der noch zwei weitere Teile folgen. Sie läuft noch bis ins neue Jahr. Schluss ist am 27. Februar. Alle Informationen dazu gibt es unter www.markgraefler-museum.de.

Oswald Prucker

 

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